Reise nach Lviv und Jalta 2013

 
  • Bilder von einigen Teilnehmern finden sich unter Bilder Ukraine 2013.
  • Einen persönlichen Reisebericht mit vielen weiteren Bildern und einer Fan-Ecke für Соломія Амвросіївна Крушельницька gibt es auf der Homepage von Simon Hoffmann.
 

Die Fahrt der Jungen Kantorei vom Herbst 2013 lässt sich heute nicht mehr so wiederholen, denn wir hatten das Glück, die Ukraine noch im Frieden zu besuchen, vor der Annexion der Krim und dem Ausbruch des Kriegs im Osten des Landes.

Musik

Auf dem musikalischen Programm stand zum einen die Bach-Motette „Jesu meine Freude“. Im anderen Teil des Programms lag ein Schwerpunkt auf Liedern von Johannes Brahms, ergänzt um Sätze von Max Reger und Joseph Gabriel Rheinberger.

Konzerte fanden in Lviv und Jalta statt, in Lviv hat die Junge Kantorei außerdem an einem festlichen Gottesdienst mitgewirkt.

Reise

Lemberg
Innenstadt von Lviv/Lemberg

Den Auftakt bildeten einige Tage in Lemberg/Lviv, einer Partnerstadt von Freiburg. Lemberg liegt im Nordwesten des Landes und gehörte bis zum Ersten Weltkrieg zur habsburgischen Monarchie. Das ist nicht nur bei der architektonischen Prägung unverkennbar, sondern auch in sehr angenehmen Traditionen wie spezialisierten Bäckereien für Strudel in allen Variationen. Was die Bauten angeht, hat die Stadt hat im Zweiten Weltkrieg verhältnismäßig wenig großflächige Zerstörung erlitten.

Umso drastischer waren die Veränderungen der Kriegs- und Nachkriegsjahre für die Bürgerschaft, wodurch Lviv eine markant andere Stadt wurde. Die Deportation und Ermordung der meisten jüdischen Bürger, die vor dem Krieg etwa ein Drittel der Einwohnerschaft ausmachten, bedeutete nicht nur die Auslöschung der Gemeinde, sondern auch des jahrhundertealten jüdischen Viertels, von dem fast nichts erhalten geblieben ist. Gegen Kriegsende waren zudem gut zwei Drittel der Bürgerschaft polnischer Prägung. Nach der sowjetischen Rückeroberung verschwand auch diese Gruppe zum allergrößten Teil, auch durch organisierten Bevölkerungsaustausch mit Polen in seinen Nachkriegsgrenzen, und das heutige Lviv ist ganz ukrainisch geprägt. Trotz dieser Umwälzungen ist die Innenstadt durch viele sehenswerte historische Gebäude geprägt, es gibt Reste der Stadtmauer, das bekannte Rathaus am Rynok-Platz, bedeutende Kirchen, beispielsweise jene der traditionsreichen armenischen Minderheit, Opernhaus, Plätze und Parkanlagen.

Zugstrecke
Kartenskizze mit der befahrenen Bahnstrecke

Um unser nächstes Ziel Simferopol auf der Krim zu erreichen, sind wir mit dem Fernzug gut 24 Stunden quer durchs ganze Land gefahren. Die Zugstrecke war wegen des kyrillischen Fahrplans und der Nachtfahrt nicht ohne weiteres zu verfolgen. Deshalb gibt es hier eine Kartenskizze mit transkribierten Ortsnamen – wir haben einen großen Teil des Landes abgefahren...

Von Simferopol, wo wir von den Freunden vom Kammerchor der Krim begrüßt wurden, ging es mit dem Bus weiter ins ehemalige sozialistische Urlaubsparadies Jalta, das nun bis auf Weiteres wieder ausschließlich russische Kunden empfangen wird.

Küste bei Jalta
Küste westlich Jalta

Dort gab es neben unserem Konzertprogramm auch Zeit für einige Ausflüge. Sehenswert ist neben der Stadt selbst der Zarenpalast von Livadia, in dem die Konferenz von Jalta abgehalten wurde.

Die meist steile Südküste der Krim bietet vom Meer aus wie an Land beeindruckende Landschaftseindrücke. Grandiose Aussicht genießt man rein theoretisch auch von einem Berg, der aber nicht ohne Grund nach dem Heiligen Petrus heißt: der hatte nämlich für dichten Nebel gesorgt. So blieb nur die Einkehr in einer der Berggaststätten, die der Übersicht halber einfach durchnummeriert sind, damit man sich nicht erst einen Namen merken muss.

Chersonnesos
Basilika in Chersonnesos

Die geschichtsträchtige Stadt Sewastopol diente 2013 der kleinen ukrainischen Marine als Stützpunkt, vor allem aber war die Stadt durch Vertrag zwischen der Ukraine und Russland und eine wichtige Basis der russischen Schwarzmeerflotte, gewissermaßen in ungebrochener Kontinuität aus Sowjetzeiten. Deutsche werden bei einem Besuch zuerst durch Soldatenfriedhöfe, dann durch die völlig zerstörte und nach dem Krieg wieder erbaute Stadt an die schweren Kämpfe bei der deutschen Invasion im Zweiten Weltkrieg erinnert.

Die nahegelegene Vorgängersiedlung, das Taurische Chersonnesos, reicht bis in die klassisch-griechische Antike zurück und bietet als Ausgrabungsstätte reiche Eindrücke vor allem aus dem byzantinischen Mittelalter. Für Griechen und Römer war das Schwarzmeergebiet wegen des Handels mit dem kontinentalen Zentral- und Osteuropa wichtig, vor allem aber als Gegend, die viel Getreide für den Export produzierte.

Bahcesaray
Moschee im Khan-Palast von Bahcesaray

Auch später bildete das Schwarze Meer und die Krim einen Berührungspunkt verschiedener Kulturen. Nach dem Ende der byzantinischen Epoche kam die heute türkische Südostseite des Meeres unter Kontrolle des neu errichteten osmanischen Reiches. Es ist insofern kein Wunder, dass die traditionelle Architektur enge Verbindungen zur Türkei erkennen lässt. Auch die Krim-Tataren sind kulturell eng mit den osmanischen Traditionen verbunden. Nach Verfolgung und Zwangsumsiedlungen in der UDSSR konnte diese Gruppe nach der Wende von 1989 wieder leichter zu ihrer lokalen Identität stehen. Seit der russischen Annexion hat sich ihre Situation wieder verschlechtert. Besucher können einen Eindruck von der krim-tatarischen Tradition beispielsweise in dem Ort Bahcesaray gewinnen.

Unglück hatten wir allerdings mit dem furchtbaren Regenwetter, das zu guter letzt sogar in Schneefall überging. Als dann wirklich alle eine Erkältung hatten, ging die Reise zurück nach Lviv und von da per Flugzeug nach Deutschland.

Bericht von Simon Hoffmann